Um es gleich zu Beginn klar zu stellen: Ich glaube nicht an die Kirche oder an die Gemeinde. Gebäude, fromme Traditionen und Liturgien lassen mich nicht in Freudengeschrei ausbrechen. Ich glaube aber an den, der die Gemeinde erfunden hat. An Gott, den Erfinder dieses Projekts, der sich da was ganz Geniales ausgedacht hat!
Verläuft die Sache im Sand?
Nach dem großen Knacks im Garten Eden startet Gott ein Projekt mit den Menschen. Er will, dass die Menschen wieder mit ihm in Gemeinschaft kommen. »Ich will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein!«, das ist das Ziel seines Projekts (2. Mose 6,7). Aber er verwirklicht sein Ziel zunächst in kleinen Schritten (das macht uns Menschen oft Mühe). Einer, der versucht, Gottes Plan mit Gewalt vorwärts zu puschen, ist Mose. Mit Mord und Totschlag versucht er die Hebräer aus der Gefangenschaft in Ägypten zu befreien (2. Mose 2,11-15). Das geht voll daneben. Gottes Projekt, das er schon Abraham vorgestellt hat, scheint buchstäblich im Sand zu verlaufen.
Die Suche nach dem Projektleiter
Fast von der ersten Seite der Bibel an lesen wir, wie Gott Projektleiter für sein Projekt sucht. Aus den Tausenden von Menschen liest Gott nicht etwa die Stärksten aus. Mit Mose, unterdessen ein achtzigjähriger Mann, der nicht mehr gerade der größte Enthusiast ist, greift Gott seinen Plan wieder auf. Mose ist kein Universalgenie - Gott stellt ihm seinen Bruder Aaron zur Seite. Der Mensch braucht die Ergänzung. Und dann stellt sich Gott dem Mose vor mit seinem Namen »Ich-bin-für-euch-da« (2. Mose 3,14). Zugegeben, ein etwas kurioser Name. Er sagt aber damit: Ich bin der Gott, auf den du zählen kannst. Ich bin der Gott der Geschichte. Der Gott, der da ist. Der Gott, der mitgeht und die Fäden in der Hand hält.
Der Camping-Gott
Tausende von hebräischen Sklaven irren in der Wüste umher. Im Auftrag ihres Gottes. Da könnte man leicht den Mut verlieren. Was soll denn das Ganze überhaupt? Wo bitte ist Gott in dieser staubigen Wüste? - Mitten unter seinem Volk! Gott ist zwar der Unsichtbare und Heilige, aber er ist trotzdem ganz nah. Er lässt sich ein Zelt machen - die »Stiftshütte«. Ein Zelt der Begegnung. Gott will dort wohnen, wo sein Volk auch wohnt. Er ist ein Gott, der sich mit seinen Leuten identifiziert. Ein Gott, der bei seinem Volk die Zelte aufschlägt. So wie sein Volk immer weiterzieht, so zieht auch Gott in seinem Zelt mit. Er ist ein »Camping-Gott«. Er ist der »Ich-bin-da!« Als König des Volkes will sich Gott dort in diesem Zelt der Begegnung regelmäßig mit seinen Leuten treffen.
Schein oder heilig?
Wir nennen solche Zusammenkünfte mit Gott meistens »Gottesdienste«. Doch in diesem Begriff schwingt etwas Missverständliches mit. Als käme es darauf an, einmal in der Woche für eine oder zwei »heilige« Stunden Gott zu dienen. Gottesdienste in »heiligen« Räumen, auf »heiligem« Boden mit »heiligen« Zeremonien. Das tönt zwar alles furchtbar religiös, aber es ist nicht das, was Gott in seinem Projekt vorgesehen hat. Für Gottes Volk soll das ganze Leben »heilig« sein, nicht nur einige Stunden. Das ganze Volk ist heilig, nicht nur einige Priester. Alle alltäglichen Handlungen sollen heilig sein und nicht nur gewisse religiöse Rituale.
Wenn wir hier von Heiligkeit reden, dann hört sich das für dich vielleicht etwas abgehoben an. Heilig sein heißt aber ganz schlicht und einfach, jeden Augenblick mit Gott zu leben und seine Vergebung in Anspruch zu nehmen. Im wahrsten Sinn des Wortes »geheilt« zu werden. Der Gottesdienst wird zum Meeting von »heiligen« Sündern.
Der Herzbewohner
»Was hat mir jetzt aber diese alte Geschichte aus der Bibel zu sagen?«, fragst du. »Was hat das bloß mit meiner Gemeinde am Hut?« Nun, doch einiges: Gott ist nämlich an seinem Projekt bis heute noch dran. Mit Jesus Christus bekam das Projekt eine Dimension, von der die Wüstenwanderer um Mose nur träumen konnten. Gott ist zwar auch jetzt immer noch der »Ich-bin-da!«. Aber nicht mehr nur in einem Zelt, sondern mitten unter seinen Nachfolgern. Oder noch krasser: in ihnen, in ihrem Herz! Gott selber hat das möglich gemacht. Durch die geniale Erlösung durch seinen Sohn Jesus.
Herausgerufen
Gemeinde heißt im griechischen Text der Bibel »Koinonia - Herausgerufen«. Gott ruft einzelne Menschen aus einem Leben in der Schuld heraus in sein Reich. Diese herausgerufenen Typen sind mehr als ein paar Freaks, die einfach fröhlich zusammen ein Hobby pflegen. Es sind Kids des Höchsten - Königskinder. Schon mal daran gedacht, dass du in deiner Kirche neben Königskindern sitzen darfst? Diese Gemeinschaft der Christen sprengt die Mauern des eigenen Gemeindegartens.
Körper und Bauwerk
Die Bibel vergleicht die Gemeinde mit einem Körper. Jesus ist der Kopf dieses Körpers (Epheser 4,15-16). Gemeinde ohne Jesus ist eine ziemlich kopflose Sache. Sie ist tot.
Eine andere Stelle beschreibt die Gemeinde, Gottes Projekt, als Bauwerk (1. Petrus 2,1-10 - unbedingt nachschlagen!). Jeder Christ ist ein lebendiger Baustein in diesem Haus. Und lebendige Steine sind ja schon was ganz Besonderes! Sie passen sich einander an oder lassen sich einpassen. Sie sind nicht etwas Starres, sondern beweglich. Das Haus ist noch nicht fertig, die Entstehung ist noch voll im Gang. Es ist ein Prozess. Und damit die ganze Konstruktion nicht zusammenkracht, ist Jesus das Fundament und der Eckstein. Der, der alles zusammenhält und trägt (Epheser 2,19-22). Der Bauherr ist Gott selber.
Feels like heaven
Nicht mehr viele Gemeinden spiegeln heute diese Dynamik wieder, die uns die Bibel beschreibt. Ist Gottes Projekt also doch im Sand verlaufen? In Traditionen oder Trägheit erstickt? Fast macht es den Anschein. Darum: Ich glaube nicht an die Kirche. Aber ich glaube daran, dass Gott mit seinem Projekt zum Ziel kommt. Auch in meiner Kirche. Sie braucht mich. Nicht als Kritiker, sondern als Bahnbrecher. Ich glaube, dass Gott gerade heute dabei ist zu zeigen, wie er sich die Sache eigentlich gedacht hat. Nicht als ein starres Gebäude, sondern als ein lebendiger, dynamischer Körper. Ein Ort, wo Leben verändert werden und jeder seine Gaben einsetzen kann. Ein Ort, wo andere erkennen: »Da ist Gott zu Hause - da hat er sein Zelt aufgeschlagen« (Epheser 3,9-11). Aber das wäre ja dann schon fast der Himmel ...
Text_Niklaus Mosimann vergisst nicht mehr, wie der kleine Knirps eines Freundes seinen Vater fragte: »Daddy, wie oft muss ich noch schlafen, bis ich wieder zur Gemeinde gehen kann?«
Back to the roots!
Die ersten Christen ließen sich regelmäßig von den Aposteln unterrichten und lebten in brüderlicher Gemeinschaft, feierten das Abendmahl und beteten miteinander. Eine tiefe Ehrfurcht vor Gott erfüllte sie alle. Er wirkte durch die Apostel viele Wunder und bestätigte auf diese Weise ihre Worte.
Die Gläubigen lebten wie in einer großen Familie. Was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam. Wer ein Grundstück oder anderen Besitz hatte, verkaufte ihn und half mit dem Geld denen, die in Not waren. Täglich kamen sie im Tempel zusammen und feierten in den Häusern das Abendmahl. In großer Freude und mit aufrichtigem Herzen trafen sie sich zu gemeinsamen Mahlzeiten. Sie lobten Gott und waren im ganzen Volk geachtet und anerkannt. Die Gemeinde wurde mit jedem Tag größer, weil Gott viele Menschen rettete. (Apostelgeschichte 2, 2-47)
Kirche von morgen - eine Vision:
- Christensein ist nicht mehr ein Absitzen von frommen Veranstaltungen, sondern der Lifestyle der Christen
- Kirchenhäuser sind out - mega in sind Haus-Kirchen
- Kleine, verbindliche und überschaubare Gruppen machen die Kirche aus
- Gott nimmt das Ruder des Kirchenschiffes wieder selber in die Hand, die freien Hände der Christen falten oder strecken sich vermehrt zu Gebet und Worship
- Bürokratie wird durch Bewegung ersetzt
- Alt und Jung hören aufeinander, ergänzen und dienen einander
- One-Man-Shows machen Teamgames Platz
- Christen beten Gott an und nicht ihre Gottesdienste
- Die richtigen Leute werden am richtigen Ort eingesetzt
- Das Volk wird nicht zur Kirche gebracht, sondern die Kirche zum Volk
- Jeder Christ hat eine zu ihm passende Aufgabe in der Kirche
- Der »Körper von Jesus« wird aus der organisierten Zwangsjacke befreit
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