Gott wird oft mit einem Vater verglichen, die Beziehung zu ihm mit der Geborgenheit einer Familie. Aber viele erleben diese Geborgenheit in ihrer Familie nicht. Und das hat oft auch Auswirkungen auf die Beziehung zu Gott. Warum man sich trotzdem bei Gott richtig zu Hause fühlen kann, das erzählen Friederike, Johanna, Larissa, Jule und Anna
»Gott liebt mich tatsächlich«
»Bei Gott bin ich zu Hause ...« - wie oft habe ich mir das schon gesagt? 100- oder 1.000-mal? Ich glaube, die größte Herausforderung in meiner Beziehung zu Gott besteht darin, dass sie nicht von meinen Gefühlen abhängig ist. Ich lerne mehr und mehr, dass es nicht darauf ankommt, wie ich mich fühle, wenn ich mit Gott gehen will.
Irgendwie bin ich so geprägt worden, dass ich nur dann »zu ertragen« bin, wenn es mir gut geht. Das heißt jetzt nicht, dass es auch genau so war und dass andere (vor allem meine Familie) das so empfunden haben. Aber ich dachte, ich müsse mich immer gut fühlen, damit andere gern mit mir zusammen sind. Das bezog ich auch auf Gott.
Irgendwann habe ich mich gefragt, woher diese Denken kommt. Mir wurde bewusst, dass ich als Kind in Gegenwart meines Vaters nicht weinen durfte. Da kam dann immer ein: »Fang jetzt bloß nicht auch noch an zu heulen.« Mehr und mehr lerne ich jetzt, dass ich zu Gott in jeder Situation kommen darf. Egal, wie ich mich fühle: Ob ich gerade wütend und verletzt bin - weil mein Vater oder meine Mutter meine Erwartungen nicht erfüllt haben. Ob ich traurig oder voller Schuldgefühle bin - weil ich mein Christsein wieder mal nicht so perfekt auf die Reihe kriege. Ich darf zu Gott kommen. Unperfekt! Und ich merke: Gott liebt mich tatsächlich.
Gerade in den letzten Monaten hatte ich oft das Gefühl, dass ich viel zu schlecht bin um von Gott geliebt zu werden. Oft konnte ich nicht mal mehr beten oder Bibel lesen. Aber zu einem verzweifelten: »Gott hilf mir doch! Zeig mir doch deine Liebe!«, reichte es irgendwie. Und Gott hörte! Der Knoten in mir ist geplatzt und ich merke: Ich bin wirklich bei Gott zu Hause. Ich muss nicht mehr weglaufen, wenn meine Stimmung nicht so klasse ist. Ich darf da bleiben. Gott hört mir zu. Gott tröstet mich. Gott redet mit mir. Und plötzlich spricht mich sein Wort wieder an.
Text_Frederike
»Ich muss nicht funktionieren«
Bei uns in der Familie bin ich irgendwie das »schwarze Schaf«. Alle haben ein geregeltes Leben, sind entweder im Beruf sehr erfolgreich oder/und haben schon eine eigene Familie mit einem erfolgreichen Mann - so empfinde ich das zumindest. Außerdem hat mein Vater eine tolle Karriere hingelegt und wir stehen alle ein bisschen in seinem Schatten. Nicht, dass ich »nichts« kann. Aber oft hab ich das Gefühl, dass ich »funktionieren« muss, dass ich erfolgreich sein muss, damit ich geliebt werde und in diese Familie passe.
Gott ist da anders. Bei ihm muss ich nicht »funktionieren«. So lange ich eine persönliche Beziehung mit Gott habe, bestätigt und zeigt er mir immer wieder, dass er mich so liebt, wie ich bin. Das erhält mich am Leben!
Text_Johanna
»Gott kennt meine Bedürfnisse«
Die Familie - das zu perfekte Zuhause:
Hier bin ich angenommen.
Hier finde ich Ruhe.
Hier werde ich geliebt.
Hier ist immer jemand für mich da.
Hier wird »geben und nehmen« praktiziert.
Hier kennt man mich.
Hier werde ich verstanden.
Und wenn es nicht so ist? Bei mir war und ist es leider noch heute nicht so! Nach Hause kommen ist okay. Ich esse zu Hause. Ich habe ein Zimmer. Ich bespreche mit meinen Eltern die - für sie - wichtigsten Dinge wie Schule und wer als nächstes den Rasen mäht.
Doch ist das alles? Ist das ein Zuhause? Wo darf ich so sein, wie ich bin? Wo darf ich Schwächen zugeben? Wo ist jemand, der mir zuhört, der mich versteht? Wo finde ich das, was »zu Hause sein« ausmacht? Bei Gott! Hier bin ich zu Hause. Gott stillt mein Verlangen. Gott kennt meine Bedürfnisse!
Meine Eltern, meine Geschwister kann und werde ich nie verändern. Aber Gott kann mich, die Menschen um mich herum, meine Situation verändern! Und er hat es auch schon getan (ich weiß auch nicht, wieso das immer alles so lange dauert ...). Gott hat an meinen Eltern gearbeitet. Inzwischen konnte ich sie darauf ansprechen, dass ich mich nicht »zu Hause« fühle. Daraufhin meinte mein Vater: »Mutti und ich haben nie gelernt, über Gefühle zu reden und Nähe zu zeigen oder zuzulassen, deshalb können wir das bei euch Kindern auch nicht!«
Gott hat mir Freunde geschenkt, die meine Bedürfnisse nach einer guten Familie ausfüllen. Hier darf ich sein, wie ich bin. Hier erlebe ich Tiefgang! So gibt Gott mir das, was mir in meiner Familie fehlt.
Text_Anna
»Gott ist mein Familienersatz«
Ich liebe meinen Vater und gleichzeitig habe ich Angst vor ihm. Da sind viele Erinnerungen, viele Schmerzen. Prügel, bis ich am ganzen Körper blau und rot war. Die körperlichen Schmerzen vergehen. Das, was bleibt, ist der seelische Schmerz. Die Worte, die gefallen sind. Die Demütigung, ihm in seinem Jähzorn ausgeliefert zu sein. Und dann sind da noch Schuldgefühle. Schließlich war ich diejenige, die ihn dazu gebracht hat so wütend zu werden. Das hat er mir immer wieder vorgehalten. Unser Verhältnis ist belastet geblieben – zumindest von meiner Seite. Ich habe immer Angst zu versagen, nicht gut genug zu sein.
Mittlerweile lebe ich weit von meinem Vater entfernt. Gott hat angefangen meine alten und neuen Wunden zu heilen. Tut gewaltig weh! Ich wünschte, wir könnten uns nahe sein, mein Vater und ich, reden. Aber das geht nicht, denn er kann seine Gefühle nicht ausdrücken. Vor einiger Zeit kam eine Frau nach einem Gottesdienst auf mich zu und sagte: »Du bist Gottes geliebtes Kind. In seinen Augen bist du perfekt.« Das hat mich umgehauen. Genau das war mein Problem. Ich dachte, ich muss perfekt sein um geliebt zu werden. Den Menschen und ganz besonders meinem Vater gefallen, damit sie mich annehmen können.
Ich bin Gottes geliebtes Kind! Gott kennt mich durch und durch und trotzdem entzieht er mir seine Liebe nicht. Manchmal fällt es mir schwer zu glauben, dass Gott mich total versteht. Aber er sorgt immer wieder liebevoll für mich. Durch Bibelverse, die genau in meine Situation passen, Lieder, die mich ansprechen oder einfach durch Gespräche mit Freunden, die mir weiterhelfen. Bei Gott lerne ich, was Vatersein bedeutet. Er ist mein Familienersatz!
Text_Larissa
»Jetzt bin ich zu Hause«
Ich komme aus einem Elternhaus, wo der Glaube ein Tabuthema war. Ich hatte keinen Vater und mit meiner Mutter habe ich mich nie gut verstanden. Ich habe immer neidisch auf meine Freundinnen mit intaktem Familienleben geschaut. Weil ich überall nach einem Zuhause gesucht habe, bin ich gleich mit 18 ausgezogen.
Danach war ich immer auf der Suche nach Freunden, Familiengefühl und Leuten, die mich so annehmen, wie ich bin. Dabei habe ich viele falsche Freunde kennen gelernt. Als ich merkte, dass alles nur noch bergab ging, habe ich einen radikalen Schnitt gemacht. Ich bin weit weg von zu Hause gezogen und habe ganz neu angefangen. Dort habe ich das erste Mal so richtig von Gott gehört und wie er als Vater über mich denkt. Als ich ihn näher kennen lernte, wusste ich: »Jetzt bin ich zu Hause.« Mein Suchen war zu Ende.
Gott nimmt mich an, ermutigt mich und ist einfach da. Das Schöne für mich ist, dass er mir durch die Gemeinde eine richtig große Familie gegeben hat. Vielleicht kann ich auch bald meiner Mutter zeigen, wie wertvoll eine Gemeinschaft mit Gott ist.
Text_Jule
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