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Take it! // Das coole schweizerdeutsche Hörmagazin
 
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Geschenkt? Geschenkt!

Eine große Menschenmenge folgte Jesus und umdrängte ihn. Es war auch eine Frau dabei, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt. Sie war schon bei den verschiedensten Ärzten gewesen und hatte viele Behandlungen über sich ergehen lassen. Ihr ganzes Vermögen hatte sie dabei ausgegeben, aber es hatte nichts genützt; im Gegenteil, ihr Leiden war nur schlimmer geworden. Diese Frau hatte von Jesus gehört; sie drängte sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: "Wenn ich nur sein Gewand anfasse, werde ich gesund." Im selben Augenblick hörte die Blutung auf, und sie spürte, daß sie ihre Plage los war. Jesus bemerkte, daß heilende Kraft von ihm ausgegangen war, und sofort drehte er sich in der Menge um und fragte: "Wer hat mein Gewand berührt?" Die Jünger* sagten: "Du siehst, wie die Leute sich um dich drängen, da fragst du noch: 'Wer hat mich berührt?'" Aber Jesus blickte umher, um zu sehen, wer es gewesen war. Die Frau zitterte vor Angst; sie wußte ja, was mit ihr vorgegangen war. Darum trat sie vor, warf sich vor Jesus nieder und erzählte ihm alles. Jesus sagte zu ihr: "Meine Tochter, dein Vertrauen hat dir geholfen. Geh in Frieden* und sei frei von deinem Leiden!" Markus 5, 24-34

Ist das nicht eine etwas komische Geschichte? Mal Hand aufs Herz: wenn sie nicht in der Bibel stehen würde, würden wir sie als puren Aberglaube beiseite legen. Nehmen wir doch einmal diese Frau näher unter die Lupe. Sie litt nicht an der gewöhnlichen Monatsblutung, sondern 12 Jahre dauerte es schon, dass die Blutungen nicht mehr aufhörten. Irgendwann wird sie gedacht haben: „Das kann doch nicht normal sein.“ Und dann ging die Reiserei los. Einen Arzt nach dem anderen suchte sie auf: Keiner konnte ihr helfen. Sie geriet in die Hände der verschiedenen Quacksalber aber das einzige, was sie los wurde, waren ihre gesamten Ersparnisse. Zwei Kostproben aus der Heilkunst der damaligen Zeit mögen genügen, um dir zu zeigen, was die Frau mit den Ärzten durch machte: „Man nehme ein Straussenei, verbrenne es zu Asche und lasse die Frau sie umhertragen. Während der Sommerzeit in einem Leinenlappen, im Winter in einem Baumwolllappen.“ Oder: „Man nehme ein Gerstenkorn, das sich im Kot eines weissen Maultiers befindet. Die Frau nehme es drei Tage in die Hand und der Blutfluss hört für immer auf.“ Für solche Ratschläge blätterte sie ein Vermögen hin. Weit schlimmer war aber wahrscheinlich, dass sie nach 3. Mos 15, 19ff. als unrein galt, d.h. sie wurde vom Gottesdienst ausgeschlossen und sie konnte keinerlei Beziehung mehr zu ihren Freunden und ihrer Familie pflegen.

Aber dann liess sie eine Nachricht aufhorchen: Ein gewisser Jesus von Nazareth hatte auch schon Erfolg mit Krankenheilungen gehabt. Nach dem was man so erzählte, musste das ein ganz famoser Typ sein. So steht es in V. 27: die Frau hatte von Jesus gehört. Sie hatte nicht ihn selbst und seine Worte gehört. Vielleicht hatte sie deshalb eine ganz falsche Vorstellung von ihm. Sie sass nämlich einem gehörigen Missverständnis auf: Sie reihte Jesus nämlich in die Reihe gewöhnlicher Wundertäter und Zauberer ein. Ihre Worte verraten sie: „Wenn ich nur sein Gewand anfasse, werde ich gesund.“ Sie hat keine Ahnung, wer dieser Jesus überhaupt ist. Ihr Wissen über Gott beschränkte sich auf das, was man als „kirchlicher Randsiedler“ halt so mitkriegt.

Und diese Frau kapiert auch nicht, dass es die persönliche Nähe und Beziehung zu Jesus braucht, um seine ganze Vollmacht zu erleben. Stattdessen schleicht sie sich von hinten heran und will sozusagen anonym in der zweiten Reihe bleiben. Sie will diesen Jesus und seine Botschaft gar nicht kennen lernen; sie begnügt sich mit seinem Gewand.

Und tatsächlich, sie schafft es, sich durch die Menschenmenge durchzukämpfen und ihn zu berühren.

Trotz Geschubse und Gestosse – wahrscheinlich ist es da zugegangen wie bei einem Eishockeymatch – merkte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war: „Wer hat mein Gewand berührt?“ Die Frau fing vor lauter Angst zu schwitzen an. Jetzt stellt er sie vor der ganzen Masse bloss; jetzt putzt er sie so richtig herunter. Darum trat sie schliesslich die Flucht nach vorne an und rückte mit ihrer ganzen Geschichte heraus. Jesus müssten doch die Haare zu Berge gestanden sein. Müsste er nicht sofort die abenteuerliche Vorstellung der Frau von seiner Person korrigieren und ihr mit aller Deutlichkeit erklären, dass er der Sohn Gottes ist? Müsste er sie nicht mit aller Nachdrücklichkeit vor Magie und Aberglauben warnen. Mensch Jesus, kannst du so ein gewaltiges Missverständnis einfach stehen lassen?!

Aber so ist Jesus. Er klärt keinen der Irrtümer dieser Frau auf. Er wendet sich ihr zu und gibt ihr die Nähe, die sie nicht gesucht hat und redet Worte mit ihr, die sie gar nicht hören wollte: „Geh in Frieden!“ Friede ist in der Bibel weit mehr als das, was wir uns darunter vorstellen. Es ist nicht einfach Waffenstillstand. Frieden bedeutet nach seiner hebräischen Wurzel: ganz, heil, unversehrt sein. Vollkommener Friede umfasst dabei meine Beziehung zu meinen Mitmenschen, zu mir selbst und auch zu Gott. „Geh in Frieden“ heisst also auch „geh mit Gott versöhnt; geh im Einklang mit ihm“.

Die Geschichte drückt ungeheuer deutlich aus, was das bedeutet: „Es Gschänk a di“. Jesus stellt mir keine Bedingungen, die ich erst erfüllt haben müsste, damit ich ihn finden kann. Er sagt nicht: „du suchst mich in einer falschen Richtung.“ Bei ihm ist es so: wenn er nur die Spur von Sehnsucht, quasi nur ein Tasten bei mir bemerkt – und vielleicht ist es auch so eine komische Glaubensvorstellung wie bei der Frau, wo einfach alles schief ist – dann ist er sofort und ganz und ohne Vorbehalt für mich da. In Joh 6, 37 sagt Jesus die Worte: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen.“ Mit welcher Erleichterung wird diese Frau heimgegangen sein. Ich erhalte immer wieder Zuschriften von Teenies, in denen sie sich fragen, ob sie wirklich von Gott angenommen sind und das obwohl sie sich für Jesus entschieden haben. Da spüre ich gar keine Erleichterung wie bei dieser Frau. Es liegt einfach oft daran, dass der Glaube als die Bedingung angesehen wird, die ich zu bringen habe. Und es artet in einen riesigen Stress aus, wenn ich daheim oder in der Schule bin und mein Glaube sehr alltäglich daherkommt und ich ihn trotz aller Anstrengung einfach nicht grösser machen kann.

Glaube – in der Guten Nachricht heisst es Vertrauen – wie er in der Geschichte vorkommt stellt sich mir anders dar. Es ist eine Sehnsucht danach, dass sich etwas ändert. Es ist eine Tür, die sich öffnet. Es ist ein Licht am Horizont. Es ist eine Hoffnung, die zur Gewissheit wird: „Wenn ich nur sein Gewand anfasse, werde ich gesund.“ Die Frau kann von Herzen ihre Heilung als Geschenk annehmen. Sie freut sich darüber und fragt nicht argwöhnisch, wo denn das Kleingedruckte sei. Jesus gibt es gern. Da, wo ich mit meinem Defizit zu ihm komme, knausert er nicht. Da muss doch niemand kommen und es madig machen, in dem er fragt: „Hast du es auch wirklich angenommen; hast du dich wirklich und ganz bewusst dafür entschieden.“ Nur bei schlechten Geschenken, von denen man weiss, dass sie sowieso in irgendeiner Schublade landen, stellt man solche Fragen.

Jesus macht den Glauben der Frau nicht nieder. „Dein Vertrauen hat dir geholfen“: Er würdigt diesen etwas seltsamen Wunderglauben und gibt ihm eine Chance. Wenn dein Glaube auch noch nicht so ist, wie du ihn dir wünscht, dann gib ihm eine Chance, weil Jesus ihm auch eine Chance gibt. Und wenn du bei einem Kollegen oder einer Kollegin so eine Spur von Glauben entdeckst, dann sage nicht: „Das sind ja gar keine richtigen Christen!“, sondern versuche behutsam ihn zu fördern. Gib ihnen eine Chance, ihn zu entfalten, weil Jesus ihnen auch die Chance dazu gibt.


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