Ein Artikel für Jungs, die nur den Kopf schütteln beim Beautywahn der Mädchen. Und für Mädels, die besser verstehen wollen, warum sie ticken, wie sie ticken.
Wieso machen Mädchen so einen Wirbel ums Schönsein? Maren Seitzinger über ein unstillbares Bedürfnis
Endlich ist das Wunder geschehen: Tom aus der 10a ist auf mich aufmerksam geworden. Während ich unter dem Fenster seines Klassenzimmers gekonnt lässig den kleinen Hügel zum Turnhalleneingang hoch schlendere, spüre ich seine Blicke auf mir. Wow, hat er gerade zu mir runter gepfiffen? Auch seine Freunde stehen am Fenster und machen sich darüber lustig, dass er Interesse an einer Achtklässlerin zeigt. Ich fühle mich super: Maren, die Heldin des Tages!
Einfach peinlich
Plötzlich finde ich mich auf dem Boden liegend wieder. Jetzt bloß nicht nach links schauen, zu den Fenstern, aus denen ich schallendes Gelächter höre. Tom hat mir seine Telefonnummer um einen Bleistift gewickelt zugeworfen, und ich habe mit einem hektischen Sprung versucht, mein unsagbares Glück aufzufangen. Doch stattdessen bin ich auf dem matschigen Boden kläglich ausgerutscht. Mit hochrotem Kopf komme ich in der Umkleidekabine an. Gerade noch im Superrausch, ist jetzt kein Fünkchen Selbstbewusstsein mehr in mir vorhanden. Die Super-Lady wagt sich nicht mehr aus der Turnhalle, na prima.
Von wegen selbstbewusst!
Sobald der Applaus nachlässt, kommen Zweifel in mir hoch. Ich fühle mich schnell wertlos und minderwertig. Und ich glaube, damit bin ich nicht allein: Wir Mädels wollen von euch, liebe Jungs, nicht nur gut gefunden werden, weil wir schlau oder sportlich sind. Wir wollen etwas Besonderes sein. Und weil für die meisten von uns Schönsein eine ziemlich große Rolle spielt, messen wir unsere Beliebtheit gerne an der Messlatte unserer äußerlichen Attraktivität.
Klamotten, Haare, Figur
... und Schminke sind für viele von uns ausgesprochen wichtig. Eine Freundin von mir arbeitete einige Jahre für eine Firma, die Schminke herstellt. Jedes Mal, wenn sie tütenweise Probeartikel mitbrachte, stürzten wir uns darauf wie ausgehungerte Hyänen. Überall werden kleine Schönheits-Stars geboren. Und da wollen wir doch nicht das Schlusslicht bilden! Unsere Vorbilder haben kleine Nasen, zwei exakt spiegelverkehrte Gesichtshälften, einen sexy Gang, ein hinreißendes Lächeln, eine makellose Haut und einen Körper, der einer Bohnenstange Konkurrenz machen könnte. Unsere Schwäche für Schönes machen sich die Medien zu Nutzen und schreiben uns vor, was schön ist. Und das ist natürlich immer das, was sich gut verkaufen lässt. Natürlich durchschauen wir das, und trotzdem beeinflusst es uns in der Auswahl unseres Outfits, unserer Frisur und der Wunschvorstellung unseres Zielgewichts. Wir bekommen Schönheitsideale so oft vor die Nase gehalten, bis wir anfangen, uns daran zu orientieren. Heidi Klum und Angelina Jolie – wer so aussieht, hat heute einfach die Nase vorn. Und darum leiden wir total darunter, wenn die Oberschenkel dicker, die Haut unreiner, die Lippen schmaler oder unsere Nasen größer sind als »erlaubt«. Ständig bekommen wir einen Spiegel vorgehalten, der uns eiskalt vor Augen führt, wie unperfekt wir sind und das ist ganz schön hart. Kein Kinoplakat, keine H&M-Werbung, keine Zeitschrift und kein Werbespot signalisiert uns: Du bist ok, wie du bist.
Spieglein an der Wand
Um uns nicht anmerken zu lassen, wie viele Schönheitsfehler wir haben, tun wir alles, um unsere guten Seiten zu betonen und die anderen zu verstecken. Dabei haben wir in erster Linie gar nicht so viel Angst vor eurem Urteil, liebe Jungs: Wir fürchten uns noch mehr vor dem Urteil der Mädels um uns herum! Denn die sehen unsere Schwachpunkte sofort und können uns da treffen, wo es am meisten weh tut. In ihren Augen zu bestehen, kann viel Energie kosten. Nur ein kritischer Blick eines anderen weiblichen Wesens auf meinen Hintern genügt, um mich kein zweites Mal mit dieser Jeans aus dem Haus zu wagen. Und weil wir deren Meinung - zugegeben - manchmal überbewerten und uns sogar darüber definieren, können wir nicht glauben, dass uns jemand gut findet, und zwar so, wie wir sind, wenn wir uns in unserer Haut nicht wohl fühlen.
Sehnsucht nach Schönheit
Dagegen, dass wir alle eine Schwäche für Schönheit haben, hat Gott im Grunde nichts einzuwenden. Ich würde sogar behaupten, dass er sie in uns hineingelegt hat, weil er ein echter Liebhaber alles Schönen ist. Da seid auch ihr Jungs in guter Gesellschaft! Doch würden wir unseren Meister jetzt mal direkt danach fragen, würde er sich ganz sicher weigern, Schönheit auf diese paar äußerlichen Merkmale zu reduzieren, die wir Mädels häufig so betonen. Auch wenn ein Schnäppchen, wie zum Bespiel die passenden Ohrringe zum Schulfestoutfit, unsere Stimmung für einen ganzen Tag heben kann, werden wir uns deswegen niemals langfristig attraktiv genug fühlen, um uns entspannt zurücklehnen zu können, weil wir uns einfach gut und geliebt fühlen. Und eigentlich wissen wir ja alle, dass es auf mehr ankommt: Attraktivität hängt nicht nur mit einem perfekten Körper und einem makellosen Gesicht zusammen. Weil wir die Meinung des großen Schönheitserfinders persönlich kennen, sollten wir es uns erlauben, Schönheit viel weiter zu definieren als Bravo und Gala! Schönheit ist viel vielschichtiger als ein paar äußerliche Merkmale! Gott hat Schönheit aus vielen Aspekten zusammengebaut. Uns über einen überbewerteten Aspekt zu definieren, oder andere unter diesen Gesichtspunkten zu beurteilen, wäre ziemlich kleinlich.
Unterstützt uns, Jungs!
Aber weil wir Mädels eben trotzdem ganz schön schnell in die Falle tappen, uns zu sehr über unseres Äußeres zu definieren, könnt ihr uns sehr helfen: Indem ihr euch aus Jungs-Gesprächen raushaltet, die uns abwerten, weil wir dem Schönheitsideal vielleicht nicht detailgenau entsprechen. Spart euch am besten hohle Sprüche, mit denen ihr nur bei euren Kumpels punktet. Damit könnt ihr uns sonst ziemlich unter Druck setzen, den wir beim Anblick so vieler Mädels, die schöner sind als wir, eh schon haben. Wenn wir den Eindruck bekommen, dass ihr euch nur mit denen abgebt, die sich am krassesten stylen und sexy kleiden, dann glauben wir, dass nur das für euch zählt. Wenn ihr einem Mädchen Komplimente machen wollt, dann überlegt euch, was euch an ihrer Ausstrahlung gefällt. Damit könnt ihr echte Pluspunkte machen. Ehrliches Interesse, das sich nicht in erster Linie auf unser Äußeres bezieht, wertet uns total auf!
Text_Maren Seitzinger kann heute über die Geschichte mit Tom nur lachen, auch wenn sie das damals niemals für möglich gehalten hätte.
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