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Wie Jesus ins Terrarium kam

Und wie andere Religionen hinter die unsichtbare Scheibe blicken


Gottes Sohn eine Schildkröte? Wieso abwegiger Gedanke? Christian Rommert über Terrarien und deren Bewohner und was wir daraus lernen können

Aqua-Terrarien faszinieren mich. Ich selber bin stolzer Besitzer eines multikulturell besetzten Terrariums mit Wasserpool. In ihm lebten über die Jahre hinweg bereits amerikanische Schmuck- und chinesische Dreikielschildkröten, sowie eine deutsche Molchfamilie, ein südamerikanischer Buntbarsch und eine ganze Reihe afrikanischer Guppys, Welse und Schnecken. Mein Becken hat einen großen Land- und einen noch größeren Wasserteil. Und ich bin mir sicher, dass die Bewohner dieses gläsernen Paradieses sich normalerweise sauwohl fühlen.

Katastrophenstimmung
Der Grund, warum ich es für notwendig halte, eEuch von meinem Aquarium zu erzählen, ist die Tatsache, dass es mich etwas Entscheidendes gelehrt hat. Was genau das ist, das hängt mit jenem finsteren und trostlosen Tag im September zusammen, an dem ich mein Aquarium in ein anderes Zimmer meiner Wohnung räumen musste. Ich hatte das Wasser etwas abgelassen, so dass ich das Becken tragen konnte. Das Licht war ausgegangen, weil ich den Lampenkasten hatte abnehmen müssen. Die Frischwasserzufuhr hatte ich abgeschaltet. Weil es nur ein kurzer Weg war, wollte ich nicht jedes Tier einzeln fangen und aus dem Aquarium entfernen. Sie blieben während dieser kurzen Reise im Becken. Zu spät merkte ich, wie entsetzlich das für alle war! Es schwappte alles hin und her. Es gab riesige Wellen. Es herrschte ein unglaubliches Chaos. Der Barsch hatte sich noch tiefer in seine Höhle verkrochen als sonst, Familie Molch raste um ihre Kinder herum, um sie zu beschützen und die Schildkröten paddelten, als ginge es um ihr Leben. Ganz klar, in meinem sonst so idyllischen Becken herrschte Katastrophenstimmung und niemand wusste, was eigentlich los war.

Ey, hör mal, Schildkröte
Ich habe damals lange überlegt, wie ich der versammelten und in blankem Entsetzen befindlichen Truppe in meinem Becken klarmachen könnte, dass alles halb so wild sei und dass das Chaos sich bald erledigt hätte. Ich hatte einiges versucht. Ich hatte mit ihnen geredet, aber sie konnten offensichtlich kein Wort verstehen. Eher im Gegenteil, als ich sie auf die Hand nehmen wollte, um sie zu beruhigen, wurden sie noch nervöser und hatten noch mehr Angst. Mir wurde klar, es gab bloß eine einzige Möglichkeit, wie ich sie hätte beruhigen können: Ich hätte eine Schildkröte werden müssen. Dann hätte ich ihnen in ihrer Sprache sagen können: »Beruhigt eEuch Kinder, es geht vorbei! Ich räume hier nur ein wenig um, heute Abend ist alles vergessen!« Das wäre der einzige Ausweg gewesen.
Ich bin an diesem Tag keine Schildkröte geworden. Aber ich habe etwas Entscheidendes gelernt. Oft fühle ich mich genauso wie meine Schildkröten in ihrer kleinen chaotischen Welt. Manchmal wird es gefährlich dunkel, die Wellen überrollen mich und die Dinge scheinen außer Kontrolle zu geraten. Ich leide unter den Begrenzungen dieser Welt. Ich sehne mich danach, hinter die Glaswand zu blicken. Ich möchte wissen, was der Sinn, der Hintergrund ist und ich möchte verstehen, was da draußen los ist! Ich möchte über die Mauer hinweg klettern und echte Freiheit erleben. Aber ich merke, zwischen mir und der Welt da draußen gibt es eine unsichtbare Grenze und es scheint unmöglich, sie zu überschreiten.

Religionen hinter der Glaswand
Das ist das Thema aller Religionen. Sie wollen hinter diesen Vorhang, hinter diese Grenze schauen und über diesen garstigen Graben hinübergelangen. Seit jeher wünschen, träumen, und hoffen Menschen darauf, einfach diese Glaswand zu durchschreiten und über diese Mauer hinweg zu klettern. Das ist gemeinsame Thema aller Religionen. Die Antworten und die Wege, die die verschiedenen Religionen vorschlagen, um dies zu ermöglichen, ähneln sich in ihren großen Linien. Irgendwie sagen sie fast alle: »Du musst dir die Mauer erklettern, Stufe für Stufe. Und die erste Stufe heißt: Sei moralisch perfekt. Erlaub dir keine moralischen Fehltritte! Die zweite heißt: Erfülle deine religiösen Pflichten, in dem du z.B. ausreichend betest, eine Pilgerreise unternimmst oder aber Gottesdienste besuchst. Die dritte Stufe heißt schließlich: Opfere! Es geht um dein Geld oder deine Zeit oder um irgendetwas anderes ...«
Wie das genau und im Einzelnen aussehen soll und was uns dann als genaue Belohnung erwartet, darin unterscheiden sich religiöse Systeme, aber alle verfolgen eben diesen Weg: »Sei gut, sei fromm, sei opferbereit, dann erwartet dich hinter der gläsernen Wand eine wunderbare und geheimnisvolle Welt, die Paradies, Nirwana oder sonst wie heißt. Jemand wird sich über das Aquarium beugen, dich in seine Hände nehmen und in einen gewaltigen und herrlichen Garten setzen. Damit das geschieht, befolge die Regeln!«

Ins Terrarium geklettert
Die christliche Antwort ist nun faszinierend anders. Sie basiert auf dem unglaublichen Gedanken, der Schöpfer dieser Welt, der Designer des Universums, der Erfinder dieses Planeten sei vor etwa zweitausend Jahren genau den umgekehrten Weg gegangen. Die Bibel sagt, dass Gott uns nicht von irgendwo da draußen eine weitere Hand voll geheimnisvoller Botschaften senden wollte, die uns erklären, wie wir diesen beschwerlichen spirituellen Weg zu ihm beschreiten sollen, sondern dass er sich entschied, sich selber auf den Weg zu uns zu machen, um uns zu begegnen. Er selber kommt uns, die wir ständig an unserer Treppe zum Himmel bauen, auf halbem Weg entgegen. Er sieht die Sehnsucht der Menschen nach ihm - unsere Sehnsucht zu verstehen, hinter den Spiegel zu blicken und zu begreifen. Er sieht unsere vergeblichen Bemühungen, die Glaswand zu erklettern, unsere Enttäuschungen, wenn wir es wieder nicht geschafft haben, wieder abgerutscht und wieder gescheitert sind. Und er macht sich auf den Weg, dieses Problem endgültig zu lösen, indem er das tut, was ich damals an diesem chaotischen Tag, in dem die Aquariumwelt meiner Schildkröten aus den Fugen geriet, gern getan hätte, aber nicht konnte: Er wird einer von uns. Jesus wird einer von uns. Er klettert in unsere Welt und kommt auf die Erde, um uns in unserer Sprache, so, dass wir es verstehen und nicht vor Entsetzen in Ohnmacht fallen, zu sagen: »Es ist alles in Ordnung! Es mag dir manchmal erscheinen, als regiere hier das Chaos, als wäre ich weit weg und würde dich allein lassen, aber ich bin da! Ich halte den Laden hier fest in meiner Hand!«

Jesus auf umgekehrtem Weg
Das Neue Testament der Bibel erzählt diese Geschichte, wie Gott Mensch wurde. Es macht kein Geheimnis daraus, dass Gottes Sehnsucht nach uns mindestens genauso groß ist wie unsere unsterbliche Sehnsucht nach ihm. Und darum erzählt es die Geschichte, wie Gott es nicht mehr im Himmel aushält und Mensch wird. Wir können also alles mögliche versuchen, um uns die Welt da draußen zu erklettern, um diesen Graben zu überwinden und die Welt da draußen zu erobern. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Jesus den umgekehrten Weg, nämlich in unsere Welt, gegangen und einer von uns geworden ist, um uns diese unglaubliche Botschaft zu überbringen. Das macht für mich die Einzigartigkeit dieser Person Jesus und seiner Mission aus. Die Begegnung mit ihm gibt mir die Kraft, den Wellen, der Dunkelheit und der Angst in meinem Leben etwas entgegenzusetzen.

Text_Christian Rommert fliegt gerade nach Südkorea - leider kann er keine neuen Terrariumbewohner mitbringen.

© teensmag 1/2004 - Copyright teensmag, CH-Pfäffikon ZH, www.teensmag.net

Wie Jesus ins Terrarium kam


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