Gibt's das, dass man so richtig was hört? Und wenn ja, warum passiert mir das nicht? - Micha Neumann bringt Licht ins Dunkel oder besser: Geräusche in die Stille.
Aus dem Schlaf gerissen
Kennt ihr die Story? Lange her, aber immer noch aktuell: Ein Teenie mit dem Namen Samuel wacht nachts auf und hört eine Stimme, die seinen Namen ruft. Samuel denkt, es ist sein Lehrer Elia, läuft hin, weckt ihn und sagt: "Du hast mich gerufen, hier bin ich." Elia aber ist noch im Tiefschlaf und reagiert mit einem vermutlich genervten "Nein, ich hab dich nicht gerufen, leg dich wieder hin." Das Ganze wiederholt sich noch zweimal. Dann checkt Elia, dass die Stimme, die Samuel da hört, von Gott kommen könnte. Und so ist es auch. Beim vierten Mal antwortet Samuel, ermutigt von Elia, auf die Stimme: "Ja, Herr, hier bin ich, rede ..."
Nachzulesen in 1. Samuel 3, 1-10
Tomaten auf den Ohren
Eine verrückte Geschichte: Da spricht Gott endlich einmal scheinbar laut und deutlich - und der Mensch, den er ruft, hat Tomaten auf den Ohren. "So ein Hirni!" hab ich früher beim Hören dieser Geschichte immer gedacht und den Samuel bemitleidet, weil er die Stimme Gottes nicht von der Stimme eines Menschen unterscheiden kann.
Heute weiss ich: Das ist wirklich oft nicht einfach zu erkennen, wenn Gott mir etwas sagen will - und vor allen Dingen was.
Stimmengewirr
Wie oft habe ich mir schon gewünscht, Gott würde mal ganz klar und deutlich, über jeden Zweifel erhaben, mit lauter Stimme sprechen: "Hallo Micha, hier spricht Gott, hör mir mal genau zu, ich hab dir etwas zu sagen ...". Aber leider tut er das nicht oder nur äusserst selten. Viel häufiger erlebe ich ein wahnsinniges Stimmengewirr in meinem Kopf. Da sind Fragen und Ängste, Bedürfnisse und Sehnsüchte, da gibt es Sätze aus meiner Kindheit, Gedanken von irgendwo aufgeschnappt, vielleicht auch mal ein Bibelvers ... Aber es fällt gar nicht leicht, das alles zu sortieren, richtig und falsch zu unterscheiden und dann noch herauszufinden, welche der vielen Stimmen in mir Gottes Stimme ist.
Verwechslungsgefahr
Tatsächlich ist die Stimme Gottes ganz leicht zu verwechseln mit irgendeiner menschlichen Stimme - und genau das geschieht ja in der biblischen Geschichte: Samuel verwechselt Gottes Stimme mit der Stimme Elias. Und wenn wir dem Samuel keinen Gehörschaden unterstellen wollen, dann muss die Stimme Gottes der Stimme Elias also täuschend ähnlich geklungen haben.
Und damit ist die Geschichte wieder ganz dicht dran an unseren eigenen Erfahrungen: Gottes Willen zu erkennen, ist eben schwierig - und die Gefahr, Gottes Reden zu überhören, ist wohl genauso gross wie die, eine menschliche Stimme für Gottes Stimme zu halten.
Auch das passiert ja oft. Menschen meinen, sie hätten verstanden, was Gottes Wille für ihr Leben ist, müssen im Nachhinein aber einräumen, dass sie sich wohl doch geirrt haben.
Nicht resignieren!
Mancher hat aufgrund solcher Erfahrungen bereits resigniert, hat aufgehört, damit zu rechnen, dass Gott ihm ganz persönlich etwas sagen möchte. Man beschränkt sich dann vielleicht noch auf das Festhalten an allgemeinen Wahrheiten aus der Bibel, erlebt es aber nicht mehr, dass Gottes Geist mitten hineinspricht in die ganz alltäglichen Lebensbereiche.
Nun endet allerdings die Geschichte von Samuel nicht als Frustbericht; es gibt einen positiven, hoffnungsvollen Ausgang!
Gehör verschaffen
Gott verschafft sich Gehör trotz der Hörprobleme des Samuel, er lässt ihn nicht allein in seiner inneren Unklarheit und stellt ihm mit Elia sogar einen "Dolmetscher" an die Seite. Mir wird deutlich: Gott ist sehr geduldig mit seinen schwerhörigen Kindern! Ob Gott im Himmel wohl geschmunzelt hat über Samuel, der seinen alten Herrn erst dreimal aus dem Tiefschlaf reissen muss, bevor er begreift, dass Gott reden möchte? Ich könnte es mir vorstellen! Da steckt so etwas wie versteckter Humor zwischen den Zeilen des Textes.
Ich reagiere in solchen Situationen jedenfalls ganz anders. Wenn ich jemanden rufe, und er hört nicht, dann rufe ich noch mal und zwar lauter und deutlicher. Wenn sich dann immer noch nichts regt, werde ich langsam sauer. Und wenn auch nach dem dritten Mal keine Reaktion kommt, dann kann mir der andere mal den Buckel runterrutschen.
Verständlich
Gott hat einen langen Atem, wenn es darum geht, seine Botschaft an den Mann oder an die Frau zu bringen. Konkret heisst das:
_Er gibt nicht auf, auch wenn du ihn schon ein paar Mal überhört hast, er spielt auch nicht den Beleidigten, wenn du seine Stimme mit einer menschlichen verwechselt hast.
_Du bist ihm so wichtig, dass er dir andere Menschen an die Seite und manchmal auch in den Weg stellt, damit du seine Worte hören und aufnehmen kannst.
_Das, was er dir zu sagen hat, ist ihm so wichtig, dass er alle Hebel in Bewegung setzt, dir zu helfen, ihn zu verstehen.
Von daher wird die Geschichte von Samuel für mich sehr tröstlich. Eine Geschichte, die mir sagt: Gott weiss um deine "Hörprobleme" - aber weil du ihm wichtig bist, wird er sich dir auch verständlich machen.
Sternstunden
Eines ist zum Verständnis der Geschichte von Samuel allerdings noch wichtig. Es handelt sich hier um Samuels Berufung zum Propheten. Das war so etwas wie ein Meilenstein in seinem Leben. Gott hatte vorher noch nie und nachher auch nur sehr selten so deutlich mit Samuel gesprochen. Auch bei anderen Menschen Gottes in der Bibel waren es vor allen Dingen die "Sternstunden", wo Gott konkret und persönlich in ihr Leben hineingesprochen hat. Daneben gab es immer auch längere Zeiten des scheinbaren Schweigens Gottes oder das schlichte Vertrauen auf die Richtigkeit von Gottes Geboten.
Jetzt wird's praktisch
Für uns gilt:
_Für die allermeisten Situationen in unserem Leben brauchen wir kein neues und persönliches Reden Gottes, weil Gott längst durch Jesus Christus und durch die Bibel gesprochen hat. Die Frage z.B., ob Gott uns liebt, ob er konkrete Schuld vergibt, ist in der Bibel längst beantwortet. Da braucht niemand mehr auf eine persönliche Offenbarung zu warten. Auch die Fragen danach, ob klauen oder lügen ok ist, kann man sich schenken. Hier geht es vielmehr darum, Gottes Wort mehr und mehr zu verinnerlichen, damit es unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt.
_Was persönliche Führung angeht, gibt es für uns oft einen grossen Freiraum von möglichen Entscheidungen und nicht immer nur den einen Weg, der für uns der einzig richtige ist. Wenn wir wirklich einmal absolut danebenliegen, können wir davon ausgehen, dass Gott uns auch ein Stoppschild in den Weg stellen wird.
_Für die Situationen, in denen Gott uns persönlich und konkret etwas sagen möchte, stellt er uns immer Menschen an die Seite, die uns helfen, seine Stimme zu erkennen. Das Gespräch mit anderen Christen ist also der erste und wichtigste Schritt, Gottes Reden zu verstehen!
Text_Micha A. Neumann ist ziemlich genervt, wenn man ihn aus dem Tiefschlaf reisst.
© teensmag 1/1998 - copyright teensmag, CH-Pfäffikon ZH, www.teensmag.net |