Hinter den Kulissen einer Beauty-Produktion
Montag, 8.00 Uhr. Wer dachte, das Leben eines Models bestünde nur aus Partys, langen Nächten und einem kleinen Tanz über den Laufsteg, der irrt. Der Shooting-Termin für die Modeproduktion ist pünktlich angesetzt und wird erst zehn Stunden später enden - wenn alles glatt geht ...
Auch ein Modell steigt morgens nicht im sexy Partylook aus dem Bett, sondern mit Augenringen und Rötungen. Zwei Stunden sitzt das Fotomodell in der Maske: Jede kleinste Unebenheit im Gesicht oder am Körper wird mit Make Up überdeckt, die Haare perfekt geföhnt und gestylt, Cellulites-Stellen oder Fettpölsterchen mit Hilfe von Klebeband gestrafft. Der Blick hinter die Kulissen macht ernüchternd klar: Selbst Covergirls werden eben nicht makellos geboren, sondern sollen nur so scheinen.
Pickel unerwünscht
Erst jetzt darf der Fotograf ans Werk. Natürliche Lichtverhältnisse sind für die perfekte Modestrecke tabu. Die Lichttechnik eines Fotostudios lässt auch noch den letzten Schatten im Gesicht des Models verschwinden. Bei einer Außen-Produktion hilft eine Brigade an Scheinwerfern und Reflektoren.
Doch wenn die Lampen ausgehen und das Model wieder in seine eigenen bequemen Klamotten schlüpft, ist die Arbeit an den Modefotos noch immer nicht getan. Der letzte Schliff ist Aufgabe der Grafiker: Fotoretusche. Am Computer sind sämtliche Korrekturen ganz einfach möglich - ohne Laser und Skalpell. Glänzt das Gesicht, wird es mattiert. Die gesamte Haut erhält ein völlig einheitliches Bild: Rötungen und Fältchen werden gemildert, letzte Pickel entfernt, ebenso wie Narben, Leberflecke oder unerwünschte Tatoos. Widerspenstige Haarsträhnen verschwinden vom Foto. Und leuchtende Augenfarben? Nicht einmal zum Lidschatten und Haarfarbe passende farbliche Kontaktlinsen sind nötig - auch hier hilft der Computer gern. Von hellblauen Augen zu blonden Haaren bis hin zu schokobraunen Augen zur schwarzen Mähne – alles ist möglich!
Fotos aus Mode- und Beautystrecken sind lang bearbeitete Kunstwerke, an denen viele Leute feilen. Bis eine Chefredakteurin mit den Bildern zufrieden ist und für den Druck absegnet, vergehen mehrere Tage.
Verschieden schön
Zeitschriften, Fernsehen, Plakate - sie spiegeln uns tagtäglich vor, dass Schönheit ein Muss ist. OP–Sendungen wie »The Swan« oder »Alles ist möglich« vergöttern geradezu die optische Makellosigkeit. Ihre Aussagen: Du musst nicht mit großer Nase, Doppelkinn oder Fettröllchen leben - wir können und wollen dir helfen!
Oder besser gesagt: Wir müssen dir helfen - denn so, wie du aussiehst, bist du nicht schön genug für diese Welt. Und wir sehnen uns in diese Glanz- und Glamourwelt hinein, verwünschen unseren dicken Pickel und die breite Nase und kommen gar nicht mehr darauf, dass die Wahrheit lautet: Ich bin schön, weil ich so bin, wie ich bin!
Kein Wunder, dass die Patientenliste bei den Psychologen jährlich immer länger wird. Nicht mehr unsere Persönlichkeit ist gefragt und auch nicht unsere individuelle Schönheit, sondern der Look von der Stange. Aussehen wie Britney oder Brad - runde Hüften oder abstehende Ohren haben da eben keine Chance.
In der Bibel, in Psalm 139, 14 dankt David Gott dafür, dass der ihn schön geformt hat. Und er setzt noch eins drauf und behauptet, er sei wunderbar in seiner Einzigartigkeit. Heutzutage laufen wir einem unerreichbaren Schönheitsideal hinterher und hier lobt David Gott dafür, dass er gerade individuell geschaffen wurde!
Großer Bluff
Tiefgang heißt, hinter die Kulissen zu blicken und sich nicht blenden zu lassen von der schillernden Oberflächlichkeit der Beautywelt. Dahinter steckt nichts weiter als ein großer Bluff, der helfen soll, teure Kleider und Düfte zu verkaufen - und der uns frustriert zurück lässt, weil es da Menschen gibt, die angeblich so viel schöner und perfekter sind als wir. Nur, morgens um halb sieben, kurz nach dem Aufstehen, mit wuscheligen Haaren und ohne abgeklebte Fettpölsterchen sah selbst Miss Supermodel noch ganz anders aus ... - aber was soll's?!
Text_Lotte Kilian fühlt sich beim Blick in den Spiegel gar nicht mehr schlecht, seit sie die Modeproduktion in einem Praktikum selbst live erlebt hat.
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